Best of Swiss Web 2023

Historische Bücher und Manuskripte digital zugänglich
dank zweier Schweizer Kooperationsplattformen

Case Movie

Zahlen zu
e-rara 2022:

  • 99'000

    Titel

  • 1.8 Mio

    Visits

  • 845'000

    Downloads

  • 12.7 Mio

    Seiten Volltext

  • 26

    beteiligte Bibliotheken

Zahlen zu
e-manuscripta 2022:

  • 149'000

    Titel

  • 900'000

    Visits

  • 275'000

    Downloads

  • 5'700

    Transkriptionen

Hintergrund

Welche Gedanken machte man sich im 16. Jahrhundert über astronomische Phänomene? Worauf nahm eine Buss- und Bettags-Predigt um 1712 Bezug? Und haben Autoren auch früher schon Texte voneinander abgeschrieben? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, muss man heute nicht mehr in die Bibliothek gehen und vorsichtig Seite um Seite in einem alten Werk umblättern. Dank einer Initiative der ETH-Bibliothek sind diese Werke nun digital verfügbar. Und das nicht nur für Forschende, sondern auch für die breite Öffentlichkeit.

Erfolg durch Kooperation

Erste Gedanken über eine digitale Bibliotheksplattform für alte Drucke machte man sich bei der ETH-Bibliothek bereits im Jahr 2007. Doch erst als sie sich Mitstreiter wie die Zentralbibliothek Zürich, die Universitätsbibliothek Basel, die Bibliothèque de Genève und die Universitätsbibliothek Bern ins Boot holte, kam wirklich Fahrt in das Projekt. Mithilfe von Fördermitteln aus dem Projekt Elektronische Bibliothek Schweiz (e-lib.ch) entstand die Plattform e-rara, welche 2010 lanciert wurde. Drei Jahre später folgte das Pendant für handschriftliche Dokumente: e-manuscripta. Mittlerweile beteiligen sich bei e-rara 26 und bei e-manuscripta neun Partnerbibliotheken und -institutionen. E-rara hat sich so zur ersten Adresse entwickelt, wenn es um die digitale Publikation Alter Drucke in der Schweiz geht.

Die innovativen Plattformen e-rara und e-manuscripta machen historische Werke für alle zugänglich.

Mehrwert für Wissenschaft und Öffentlichkeit

Das zentrale Ziel von e-rara und e-manuscripta ist es, historische Werke zu digitalisieren und sowohl für die Wissenschaft und Lehre als auch für die breite Öffentlichkeit frei online zugänglich zu machen. Und das nach einheitlichen Qualitätsstandards. Darüber hinaus wollen die Partnerinstitutionen Folgendes erreichen und sicherstellen:

  • Eine persistente Referenzierung der elektronischen Dokumente mittels Digital Object Identifier (DOI) der ETH-Bibliothek.
  • Die konsequente Umsetzung einer Open-Access-Strategie.
  • Die Konzeption und Einführung neuer Services auf den Plattformen.
  • Den Schutz der wertvollen Werke, da diese nicht mehr so oft angefasst oder gar von einer Bibliothek zur nächsten transportiert werden müssen.

Internationale Standards und offene Schnittstellen

Für Laien ist es natürlich spannend, wenn sie online in alten Büchern und Schriften blättern können. Für Personen aus der Lehre und Forschung stellt die Digitalisierung der Bestände jedoch eine wichtige Arbeitsgrundlage dar. So lassen sich die Werke nicht nur von überall auf der Welt anschauen, sondern können auch für computerbasierte Forschung genutzt werden. Texte können zum Beispiel online verglichen und mit speziellen Programmen analysiert werden. Dafür sorgen internationale Standards und offene Schnittstellen, die den maschinellen Zugang und den Austausch mit anderen Plattformen ermöglichen.


Offene Schnittstellen ermöglichen auch die Datenübernahme in internationale Fachportale. So werden zum Beispiel Inhalte von e-rara in der grossen französischen Plattform Gallica oder im von der Harvard University betriebenen SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) übernommen und stehen dort für die Recherche zur Verfügung.

Open Data und Crowdsourcing

Mit den beiden Plattformen wird nationales Kulturgut zugänglich gemacht. Dabei sind bei e-rara fast alle Inhalte «Public Domain», also frei verfügbar. Das heisst, man kann sie als JPEG, PDF oder in einem anderen Dateiformat herunterladen bzw. über Social Media teilen. Und anders als bei einem physischen Werk kann man das digitale nach Belieben bearbeiten. So bietet die Plattform die Möglichkeit, den Kontrast oder die Helligkeit einer bestimmten Buchseite zu verändern. Zudem kann man in ein Bild hineinzoomen oder den gesamten Text nach Stichworten durchsuchen, sofern bei dem Werk der Volltext vorhanden ist.


Das Besondere bei e-manuscripta ist, dass sie sich von einer reinen Präsentationsplattform hin zu einer Forschungs- und Editionsplattform entwickelt hat, die kollaboratives Arbeiten zulässt. So kann jede und jeder mithelfen, handschriftliche Dokumente wie Briefe, Karten oder Notizen zu entziffern und zu transkribieren. Diese Plattform, deren Geschäftsstelle von der Zentralbibliothek Zürich geführt wird, ist also zugleich ein Crowdsourcing-Projekt.


Der freie Zugang auf der einen Seite und die Möglichkeit zur Mitarbeit auf der anderen, machen e-rara und e-manuscripta zu Paradebeispielen für Public Domain- und Open Data-Projekte.

Die Plattform als Crowdsourcing-Projekt: e-manuscripta lädt ein, alte Handschriften zu transkribieren.

Interoperabilität und Infrastruktur

Wichtig war es den Trägerbibliotheken der beiden Plattformen, dass diese mit den gängigen Suchmaschinen kommunizieren können. Schliesslich kann man nicht davon ausgehen, dass die Recherche erst auf der eigenen Website anfängt. Es ist anzunehmen, dass viele Suchen bei Google oder der Bibliotheksplattform Swisscovery starten. Deshalb sind alle Titel auch hier eingebunden und über Google erreichbar.


Eine grundlegende Herausforderung für das immense Digitalisierungsvorhaben war der Aufbau der Infrastruktur, also die Beschaffung von Scan-Robotern und das Einrichten von Digitalisierungsstrassen. So haben sich die fünf Gründungspartner – neben der Beschäftigung mit ihren klassischen Aufgaben – in Digitalisierungsstandorte für das Projekt e-rara umgewandelt. Hier werden heute nicht nur die eigenen Altbestände digitalisiert, sondern auch die der anderen Schweizer Bibliotheken, welche sich dem Projekt angeschlossen haben, jedoch nicht über die notwendige technische Infrastruktur verfügen.

Nutzerfreundliches Design und Technik

Die Plattform e-rara umfasst mittlerweile fast 99’000 Titel; bei e-manuscripta sind es über 149’000. Bei einer solchen Fülle an digitalisierten Inhalten spielt das Design eine wesentliche Rolle. Seine Aufgabe ist es, für Klarheit und Übersichtlichkeit zu sorgen. Da die Recherche im Vordergrund steht, erhält das Suchfeld einen prominenten Platz in der Bühne. Nutzer, die lieber stöbern, können sich durch übersichtlich angelegte Themen und Kollektionen klicken. Alle Werke lassen sich in unterschiedlichen Ansichten darstellen und die Bedienung ist so einfach wie intuitiv. Bei einem umfassenden Redesign erhielten die Plattformen 2022 ein neues Gesamterscheinungsbild mit zusätzlichen technischen Funktionen, welche die Nutzung verbessern und die Inhalte noch einfacher verwendbar machen.


Technisch basieren die beiden Plattformen auf der Visual Library der semantics GmbH und der Walter Nagel & Co. KG. Für das Hosting ist die IT-Abteilung der ETH-Bibliothek zuständig. Ein zentraler Grund, weshalb e-rara und e-manuscripta auch optisch ähnlich daherkommen. Zudem wollte man mit einem einheitlichen Design natürlich die Verbindung zwischen den Plattformen kommunizieren. Daher arbeiteten die UX-Designer der zuständigen Agentur Eyekon AG, welche mit der Gestaltung des Interface beauftragt wurde, ein Design-System aus, welches sich bei beiden Websites durchgängig anwenden lässt. Dass die Seiten responsive sind, also auf allen Devices optimal dargestellt werden, versteht sich von selbst.

Übersichtliches Design und zielgruppenspezifische Zugänge sorgen für Nutzerfreundlichkeit.

Fazit und Ausblick

Die Plattformen e-rara und e-manuscripta haben die Erwartungen hinsichtlich der Digitalisierungsgeschwindigkeit sowie der Besucherzahlen von Anfang an übertroffen. Und die allgemeine Begeisterung hält an. Auch, weil sich die Plattformen stetig weiterentwickeln. Ein Beispiel: die Volltexterkennung. Dank Optischer Zeichenerkennung (OCR) wird diese schrittweise erweitert. So kamen allein im Jahr 2022 über 2.7 Mio. Seiten hinzu. Zudem sorgt die Implementierung des Tools TextLab bei e-rara dafür, dass man diese Texte auch nach Orten oder Namen durchsuchen sowie zusätzliche Informationen und Verknüpfungen mit anderen Texten nachvollziehen kann, was es einem wiederum ermöglicht, noch tiefgreifender zu recherchieren.


Auch das Team von e-manuscripta arbeitet stetig an Optimierungen. So werden unter anderem bald maschinell erstellte Transkriptionen integriert werden können. Und auch in Zukunft werden die Partnerinstitutionen rund um die ETH-Bibliothek keine Mühen scheuen, neue Technologien und Services in ihre Plattformen einzubinden.

Summaries für die verschiedenen Kategorien

Für die Kategorie Innovation ist besonders hervorzuheben:

  • Eisbrecher: Mit der Idee zu e-rara nahm die Digitalisierung von Bibliotheksbeständen in der Schweiz im grossen Stil Fahrt auf.

  • Offene Schnittstellen: e-rara und e-manuscripta bieten nicht nur Menschen, sondern auch computerbasierten Programmen Zugang zu historischen Texten. So können diese zum Beispiel mittels Schrifterkennungssoftware eingelesen, analysiert und verglichen werden.

  • Interoperabilität: Die Plattformen kommunizieren mit den gängigen Suchmaschinen. So sind alle Titel über Google erreichbar und in der Schweizer Bibliotheksplattform Swisscovery eingebunden. Zudem stellt e-rara ihre Metadaten internationalen Plattformen wie Gallica und dem von der Harvard University betriebenen SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) zur Verfügung.

  • Infrastruktur: Für dieses grosse Digitalisierungsprojekt wurde mit Scannern und Digitalisierungsstrassen in den beteiligten Bibliotheken eine umfassende Infrastruktur aufgebaut.

Für die Kategorie Public Value ist besonders hervorzuheben:

  • Open Data: Fast alle veröffentlichten Werke auf e-rara sind Public Domain und damit Allgemeingut. Interessierte können sich einzelne Seiten oder ganze Bücher in einem Dateiformat ihrer Wahl herunterladen und für Lehre, Forschung oder zum Selbststudium nutzen.

  • Citizen Science: Die Plattform e-manuscripta ist zugleich ein Crowdsourcing-Projekt, bei dem jeder seinen Teil beitragen kann, indem er Handschriften entziffert und direkt auf der Plattform für alle zugänglich transkribiert.

  • Erfolgsgeschichte: Mittlerweile haben Forschende und Interessierte Zugang zu 99’000 Werken bei e-rara und zu 149’000 Titeln bei e-manuscripta. Und dieser Zugang wird rege genutzt: Über 2.7 Mio Visits verzeichneten die Plattformen im Jahr 2022 zusammen.

  • Internationale Zusammenarbeit: Die Plattform e-rara stellt ihre Metadaten internationalen Plattformen wie Gallica und dem von der Harvard University betriebenen SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) zur Verfügung.

  • Umfassende Dokumentation: Mit e-rara werden Werke zugänglich gemacht, die vom 15. bis ins 20. Jahrhundert reichen. Bei e-manuscripta sind sogar Digitalisate aus dem 6. Jahrhundert zu finden.

Für die Kategorie Productivity ist besonders hervorzuheben:

  • Effiziente Forschung: Für Wissenschaftler wird die Arbeit dank e-rara sehr viel effizienter. So sorgen offene Schnittstellen dafür, dass die historischen Werke auch mit computerbasierten Programmen analysiert werden können. Diese ermöglichen es den Forschenden zum Beispiel,
    ganze Absätze verschiedener Drucke zu vergleichen und damit die Übertragung von Ideen nachzuvollziehen.

  • Bessere Recherche: Dank Optischer Zeichenerkennung (OCR) ist bei einer Vielzahl von Werken der Volltext verfügbar – als reine Textdatei oder neu auch als Alto (XML). Dadurch können die Werke z.B. nach Orten oder Namen durchsucht sowie miteinander verglichen werden, was die Recherche enorm vereinfacht.

  • Interoperabilität: Die Plattformen kommunizieren mit den gängigen Suchmaschinen. So sind alle Titel über Google erreichbar und in der Schweizer Bibliotheksplattform Swisscovery eingebunden, was die Suche für die Nutzer effizient und komfortabel macht. Zudem stellt e-rara seine Metadaten internationalen Plattformen wie Gallica und dem von der Harvard University betriebenen SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) zur Verfügung.

  • Infrastruktur: Für dieses grosse Digitalisierungsprojekt wurde mit Scannern und Digitalisierungsstrassen in den beteiligten Bibliotheken eine umfassende Infrastruktur aufgebaut.